Dörthe Priesmeier weiß genau, wo überall noch Platz für Pflanzen ist, auch da, wo man’s nicht vermutet.
Mal ehrlich: Wer träumt nicht von einem richtigen Garten? Dörthe Priesmeier aber sagt: Wartet nicht darauf. Sie macht aus dem kleinsten Balkon ein grünes Paradies und nutzt dabei jeden Zentimeter nach oben. Ihre Devise: Wenn’s in die Breite nicht geht, dann eben gen Himmel. Mit ein paar cleveren Tricks wachsen Tomaten plötzlich an der Wand, Kräuter stapeln sich wie in einem Restaurant und Erdbeeren baumeln von der Decke. Das funktioniert nicht nur, das macht auch richtig Spaß.
Kennen Sie das? Der Balkon ist so winzig, dass man sich entscheiden muss: Stuhl oder Pflanze. Dörthe Priesmeier findet diese Wahl völlig unnötig. „Die meisten sehen nur den Boden“, sagt sie und zeigt nach oben. „Aber da ist noch so viel Luft!“ Was sie meint: Fast jeder Balkon, jede Terrasse, selbst die kleinste Ecke im Hof bietet ungenutzten Raum in der Vertikalen. Während unten alles zugestellt ist, herrscht oben gähnende Leere. Dabei lassen sich Wände, Geländer, sogar die Unterseite von Überdachungen wunderbar bepflanzen. „Man braucht nur ein bisschen Mut zum Stapeln“, erklärt Priesmeier. Und tatsächlich: Eine alte Europalette an die Wand gehängt, ein paar Töpfe reingehängt und fertig ist das Kräuterregal. Hängeampeln unter dem Balkon darüber verwandeln jeden Gang nach draußen in einen kleinen Spaziergang durchs Grüne.
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Warum vertikales Gärtnern mehr ist als nur Platznot
Der Raum, den keiner sieht
Zwischen Hauswand und Balkonbrüstung, über Fenstersimsen und entlang von Zäunen verstecken sich Quadratmeter für Quadratmeter ungenutzten Raums. „Ich war letztens bei einer Freundin“, erzählt Priesmeier, „die beklagte sich über ihren winzigen Balkon. Dabei hatte sie mindestens zehn Quadratmeter freie Wandfläche!“ Das Problem: Wir denken flächig, nicht räumlich. Dabei ist die dritte Dimension oft der Schlüssel zu mehr Grün. Vor allem in der Stadt, wo jeder Quadratmeter teuer ist, bietet die Vertikale echte Chancen.
Stadtgarten neu gedacht
Gerade Stadtbewohner profitieren vom Denken in die Höhe. Ein normaler Balkon wird schnell zur grünen Wohlfühloase, wenn man alle Ebenen nutzt. Dörthe Priesmeier zeigt ein Beispiel: „Stellen Sie sich vor: unten Ihre Sitzecke, darüber hängen Kräuter für die Küche, an der Wand rankt Kapuzinerkresse hoch und über dem Geländer baumeln Erdbeeren. Plötzlich haben Sie einen Garten statt nur einen Balkon.“ Man muss kein Architekt sein, um anzufangen. „Mein erstes vertikales Projekt war eine Tomatenpflanze an einem Besenstiel. Hat funktioniert!“ Heute nutzt sie alte Leitern, ausrangierte Regale und sogar defekte Fensterläden als Pflanzenständer.
Die richtigen Pflanzen für die Höhe
Was wächst wo am liebsten?
Nicht jede Pflanze taugt für die Vertikale. Schwere Kohlköpfe beispielsweise hängen ungern kopfüber. Aber vieles andere liebt den Blick von oben. Priesmeier hat ihre Favoriten: „Alles was rankt, klettert oder kompakt wächst, ist perfekt.“
Dörthe Priesmeiers Lieblingspflanzen für die Vertikale:
- Rankpflanzen wie Kapuzinerkresse und Feuerbohnen: „Die klettern überall hoch und sehen dabei auch noch hübsch aus. Kapuzinerkresse schmeckt scharf wie Radieschen und die Blüten sind essbar.“
- Kompakte Kräuter wie Basilikum, Thymian und Schnittlauch: Gedeihen perfekt in Pflanztaschen und Etagenregalen. „Das Beste: Man hat sie beim Kochen direkt zur Hand.“
- Erdbeeren in Hängeampeln: „Die Schnecken kommen nicht ran, die Früchte bleiben sauber und man kann beim Pflücken stehen bleiben.“
- Salate in gestapelten Kästen: Pflücksalat und Mangold wachsen schnell nach und sind perfekt für die schnelle Ernte zwischendurch.
- Cocktailtomaten in Ampeln: Die kleinen Sorten sind ideal für Töpfe und brauchen weniger Stütze als ihre großen Verwandten.
Standort ist auch oben wichtig
Wie überall im Garten gilt: die richtige Pflanze am richtigen Ort. „Nur weil etwas hängt, heißt das nicht, dass es plötzlich andere Lichtverhältnisse mag“, betont Dörthe Priesmeier. Tomaten brauchen auch in luftiger Höhe volle Sonne, während Farne auch im Schatten unter dem Balkon darüber gedeihen. Ein häufiger Fehler: das unterschiedliche Mikroklima verschiedener Höhen zu übersehen. „Oben ist es windiger und trockener, unten oft feuchter und geschützter. Das muss man beim Gießen berücksichtigen“, erklärt sie. Ihre Lösung: anfangs täglich kontrollieren und ein Gespür für die verschiedenen Zonen entwickeln.
Konstruktionen, die wirklich funktionieren
Selbst gebaut oder fertig gekauft?
Wer handwerklich geschickt ist, kann mit wenig Geld loslegen. „Meine beste Pflanzenwand besteht aus drei alten Obstkisten vom Wochenmarkt“, erzählt Dörthe Priesmeier. „Übereinander geschraubt, Löcher für die Drainage gebohrt, fertig.“ Auch Europaletten eignen sich perfekt – stabil, günstig und vielseitig. Für alle anderen gibt es mittlerweile ausgeklügelte Systeme im Handel: Pflanztürme aus wetterfestem Kunststoff, modulare Wandelemente oder spezielle Hängetaschen. „Ist teurer, aber dafür durchdacht und oft langlebiger“, gibt sie zu. Wichtig bei allen Systemen: stabile Befestigung und gute Drainage.
Das leidige Thema Gießen
Der größte Knackpunkt beim vertikalen Gärtnern ist die Bewässerung. „Am Anfang hab ich von oben gegossen und gedacht, das Wasser läuft schon nach unten durch“, erinnert sich Dörthe Priesmeier. „Ergebnis: oben verdurstet, unten ertrunken.“ Heute gießt sie jeden Topf einzeln. Das dauert länger, funktioniert aber zuverlässig. Bei größeren Anlagen lohnen sich Tröpfchenschläuche oder kleine Bewässerungssysteme. „Einmal installiert, läuft das fast von selbst. Gerade im Urlaub ein Segen.“
Gestaltungstricks für mehr Wirkung
Nicht alles auf einer Höhe
Ein häufiger Anfängerfehler: alles in gleichgroßen Töpfen und auf gleicher Höhe arrangieren. „Das sieht aus wie Soldaten in Reih und Glied“, meint Dörthe Priesmeier. Ihre Lösung: mit verschiedenen Höhen und Ebenen spielen. Kleine Podeste, versetzte Halterungen oder gestufte Regale schaffen Dynamik. „Und ein paar Farbakzente schaden nie“, ergänzt sie. Ein knallroter Topf zwischen dem ganzen Grün, verschiedene Texturen bei Töpfen und Pflanzgefäßen – schon wirkt alles lebendiger.
Der Wow-Effekt für wenig Geld
Dörthe Priesmeier zeigt, wie aus einem tristen Balkon ein echter Hingucker wird: „Nehmen wir einen typischen Stadtbalkon. Drei Quadratmeter, viel Beton, wenig Charme.“ Ihre Verwandlung: Rankhilfe mit Clematis am hinteren Geländer, eine bepflanzte Palette an der Seitenwand, Hängeampeln mit Petunien am oberen Balkongitter und ein schmaler Pflanzturm mit Naschgemüse in der Ecke.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: „Plötzlich riecht es nach Kräutern statt nach Abgasen, man kann naschen statt nur schauen und der Balkon wird vom Abststellplatz zum Lieblingsort.“
Vertikaler Garten drinnen
Auch die Wohnung kann grüner werden
Vertikales Gärtnern funktioniert nicht nur draußen. Dörthe Priesmeier hat auch drinnen experimentiert: „Auf der Fensterbank, an Küchenregalen, sogar im Flur kann man vertikal denken.“ Ihr Trick: alte Holzbretter mit eingehängten Gläsern für Kräuter oder kleine Sukkulenten.
„Die Pflege bleibt überschaubar, aber der Effekt ist maximal“, schwärmt sie. Besonders Küchenrückwände eignen sich perfekt für essbare Dekoration. „Basilikum, Schnittlauch und Petersilie direkt neben dem Herd – praktischer geht’s nicht.“
Warum vertikal oft besser ist als flach
Unerwartete Vorteile
Vertikales Gärtnern bringt Überraschungen mit sich. „Meine Pflanzen sind gesünder geworden“, berichtet Dörthe Priesmeier. „Bessere Luftzirkulation, weniger Schädlinge, und die Schnecken bleiben unten.“ Auch das Licht wird besser genutzt – keine Pflanze steht im Schatten der anderen.
Praktisch ist auch die rückenschonende Pflege. „Statt auf allen Vieren durchs Beet zu kriechen, stehe ich entspannt davor und kann alles erreichen.“ In der Stadt kommt noch ein Bonus dazu: Begrünte Wände verbessern das Mikroklima, binden Staub und dämpfen sogar Lärm.
Grün ist keine Platzfrage
Vertikales Gärtnern zeigt, dass Gärtnerglück auch auf kleinem Raum wachsen kann – mit Fantasie, ein paar guten Ideen und der richtigen Struktur. Balkonbesitzer und Stadtbewohner entdecken dabei völlig neue Dimensionen: Wände werden zu grünen Leinwänden, Geländer zu blühenden Kunstwerken. Selbst der kleinste Winkel birgt Potenzial für eine grüne Oase. Hängeampeln, Kletterpflanzen und geschickt gestapelte Töpfe schaffen Räume, wo vorher nur Leere war. Die dritte Dimension erobern bedeutet auch, kreativ zu werden und das mit selbstgebauten Regalen, alten Leitern oder ausgedienten Möbeln als Pflanzenbühne.
Vertikales Gärtnern ist Architektur mit lebendigen Bausteinen, ein Spiel mit Licht, Schatten und natürlichen Formen. Wer nach oben denkt, gewinnt nicht nur Platz, sondern auch Perspektive. Dörthe Priesmeier gelingt es, vermeintliche Einschränkungen in Chancen zu verwandeln und macht Lust auf Höhe, statt nur in die Breite zu denken.